Uni.Urban.Mobil.

Nachtrag zur Stellungnahme zur geplanten Fuß- und Radbrücke auf dem Campus West

Neuigkeit Stellungnahme 26.08.2020

Die Vorlage zum Bebauungsplan Nr. 923 - Campus West (FB 61/1510/WP17) ist nun verfügbar und soll am 03.09. im Mobilitätsausschuss und am 10.09. im Planungsausschuss beschlossen werden.

Seit der frühzeitigen Bürger*innenbeteiligung haben wir uns mit den Planungen beschäftigt. Zudem haben wir uns noch einmal gesondert zu der zusätzlichen Fuß- und Radbrücke geäußert.

Derzeit wird der Campus West nur über die für den Fuß- und Radverkehr unattraktive Nordbrücke zum Campus Melaten verbunden (in der Karte rot). Daher soll an einer attraktiven Stelle eine eigene Fuß- und Radwegebrücke gebaut werden (in der Karte grün).

In der letzten Stellungnahme haben wir die Bedeutung der Brücke für den Fuß- und Radverkehr dargelegt. Des weiteren haben wir die derzeitige Planung dieser Brücke im Masterplan kritisiert: Die im Bebauungsplan vorgesehenen Verkehrsflächen schränken die Möglichkeiten der Brückenführung so weit ein, sodass sich zusätzliche Höhenmeter (15 statt 9) und hohe, nicht-barrierefreie Steigungen nicht vermeiden lassen. Wegen der hohen Baukosten bei der geringen Attraktivität ist es unwahrscheinlich, dass diese Planung jemals realisiert werden kann.

Der Campus West wird auf dem ehemaligen Güterbahnhof erbaut und beginnt am Bahnhof West (unten rechts).

Quelle: "Masterplan Campus West", aachen.de/campuswest, abgerufen am 10.11.2019. Dieses Bild zeigt einen Ausschnitt und wurde um die farblichen Markierungen von uns ergänzt. Zur besseren Sichtbarkeit wurde die Karte schwarz-weiß gefärbt.

Zur Stellungnahme von VCD Aachen-Düren, Uni.Urban.Mobil. und ADFC Aachen →

In diesem Nachtrag gehen wir auf die Antwort der Verwaltung auf diese Stellungnahme ein. Um Dopplungen zu vermeiden, verweisen wir auch auf unsere bisherige Argumentation in der oben verlinkten Stellungnahme.

Die Bedeutung der Brücke für den Radverkehr

Die Verwaltung verweist auf das Verkehrsgutachten BSV, 01/2020 (Anlage 11 der Vorlage), um die Notwendigkeit der Brücke in Frage zu stellen. Diese Ergebnisse dieses Gutachtens halten wir für nicht zutreffend.

Vergleich der Routen vom Bahnhof West zum Campus Melaten Nord

Quelle: Verkehrsgutachten BSV, 01/2020, abgerufen am 20.08.2020 in der Anlage 11 der Vorlage FB 61/1510/WP17

Hier wird ein Vergleich der Routen vom Westbahnhof zum Campus Melaten Nord angestellt. Dieses Gutachten kommt zu dem Schluss, dass eine mögliche Verbindung über das Campusband und eine Radbrücke unattraktiver als die Verbindung über den Seffenter Weg sei.

Hierzu wird ein Fahrtzeitenvergleich angestellt, wie der Grafik aus dem Gutachten (rechts) zu entnehmen ist. In dem Gutachten heißt es: “Dabei sind für den Radverkehr die Strecken von dem Republikplatz zum Kreisverkehr Seffenter Weg/Forckenbeckstraße sowie die Reisezeiten (bei einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von 10 km/h) berechnet worden.” Insbesondere bei der Bewertung von Radrouten sollte auch die Topographie berücksichtigt werden, denn diese haben erheblichen Einfluss auf die Reisezeit und insbesondere den Fahrkomfort für Radfahrer*innen. Dies ist hier aber nicht geschehen.

Quelle: "Masterplan Campus West", aachen.de/campuswest, abgerufen am 01.03.2020. Die farblichen Markierungen stammen von uns.

Unsere Variante ist blau dargestellt, die Variante der Radbrücke aus dem Masterplan lila und der Seffeter Weg orange.

In unserer Stellungnahme zur Radbrücke haben wir dargestellt, dass die Verbindung über das Campusband und der von uns vorgeschlagenen Führung die attraktivste und auch steigungsärmste ist.

Auf die Problematik der Steigungen wird auch in dem Gutachten hingewiesen: “Hierbei wurde vernachlässigt, dass bei einer Route über eine Fußgänger-/Radfahrerbrücke zusätzliche Zeitverluste aufgrund der Steigung und zum Teil stärkeren Abbremsvorgängen (beim Runterfahren) resultieren.” Dieses Argument ist zwar richtig, wird aber genau falsch herum angewendet: So weist der Seffenter Weg deutlich größere Höhenunterschiede und Steigungen auf, als die Route über das Campusband und die Radbrücke. Der richtige Schluss wäre also: Über den Seffenter Weg entstehen zusätzliche Zeitverluste durch Steigungen und Abbremsvorgänge.

In diesem Teil des Gutachtens wurde grob vereinfachend gearbeitet, somit lässt sich hieraus keine belastbare Aussage ableiten.

Eine überschlägige Rechnung für die Relation Republikplatz – Kreisverkehr Melaten Nord mithilfe des VIA-Verkehrswiderstandsmodells der RWTH Aachen kommt zu folgendem Ergebnis:

  • Führung Seffenter Weg: 35-53 Widerstandseinheiten
  • Radbrücke – Masterplan: 33-41 Widerstandseinheiten
  • Radbrücke – unser Vorschlag: 27-33 Widerstandseinheiten
  • Fußverkehr (zum Vergleich): ca. 40 Widerstandseinheiten (alle Varianten)

Je mehr Widerstandseinheiten, desto unattraktiver die Nutzung. Einflussgrößen für die Rechnungen sind Topographie und Streckenlänge. Die Ausbaustufe der Radwege fließt explizit nicht mit in die Rechnung ein.

Die oben stehende Rechnung macht deutlich, dass die Führung der Radbrücke eine deutlich positive Auswirkung auf die Attraktivität möglicher neu entstehender Verbindungen hat. Mögliche Varianten einer Brücke sollten also unter diesen Gesichtspunkten miteinander verglichen werden - so ist unsere Variante ist deutlich attraktiver für die Verbindung Bahnhof West- Campus Melaten Nord als die Variante im Masterplan.

Querverbindungsfunktion der Brücke

Eine weitere, entscheidende Schwäche des Gutachtens: die angegebenen Untersuchungen beziehen sich lediglich auf die Relation Republikplatz – Kreisverkehr Melaten. Eine mögliche Querverbindungsfunktion der Brücke für den Radverkehr wird hier völlig vernachlässigt.

Das Gutachten beschränkt sich hinsichtlich der Erschließung näherer Ziele in der abschließenden Beurteilung auf den Fußverkehr: “Da man aufgrund der Nutzungen nicht davon ausgehen kann, das es im Umfeld der Brücke zukünftig viele fußläufige Wegebeziehungen von ‘der einen’ auf ‘die andere’ Seite der Schienentrasse gibt, wird die Häufigkeit und Frequenz von Fußgängern auf der Brücke gegenwärtig als gering eingeschätzt.” Die Betrachtung möglicher Querverbindungen für den Radverkehr beziehen sich nur auf die Anbindung zur Radvorrangroute zum Campus Melaten und der Radschnellweg RS 4: “Die im Bestand fehlenden direkten Ver-/Anbindungen dieser beiden Achsen zu einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke zeigen, dass nicht damit zu rechnen ist, dass die Brücke von vielen Radfahrern als „neue Abkürzung“ oder „bessere Route“ genutzt würde.”

Diesem Fazit widersprechen wir entschieden: Gerade die Ziele Campus Melaten, Uniklinik, Wohnheime “KaWo” sowie die Hörn auf der einen Seite werden mit den Zielen Campus West, Wohngebiet Guter Hirte, einem Baumarkt und Supermärkten, den Wohnheimen “Türme” auf der anderen Seite verbunden. Hierunter befinden sich viele studentische Ziele und somit Wegebeziehungen, auf denen ein hoher Radverkehrsanteil zu erwarten ist. Gerade Querverbindungen für den Radverkehr sind wichtig für die Erschließung des näheren Umfelds und um Umwege auch über viel befahrene Straßen zu vermeiden.

Punkte zur Realisierbarkeit in der Antwort der Verwaltung

Böschung

Unserer Ansicht nach könnte die Rampe gerade in der Böschung geführt werden, somit wäre hierfür kein Brückenbauwerk notwendig und die Böschung könnte erhalten bleiben. Dies haben wir auch in unseren Gesprächen mit den Fraktionen betont. Es ist nicht dargelegt, warum dies nicht möglich ist.

Einschränkung der Bebauung

Die Antwort suggeriert, dass unser Vorschlag die Gebäudehöhe des anliegenden Grundstücks beeinträchtigt. Dies können wir nicht nachvollziehen - wird die Grundstücksfläche anders aufgeteilt (hierdurch muss sie nicht mal kleiner werden), ist eine 20 Meter hohe Bebauung weiterhin möglich. Die Neuaufteilung der Grundstücksfläche haben wir in unserer letzten Stellungnahme bereits thematisiert.

Verbindung von öffentlichen und privaten Bauten

In unser ersten Eingabe haben wir vorgeschlagen, die Radbrücke in das Gebäude auf dem anliegenden Grundstück zu integrieren, um Platz zu sparen. In der Antwort der Verwaltung heißt es: “Eine bauliche Verbindung aus öffentlich gewidmeter Verkehrsfläche und privatwirtschaftlich errichteten Gebäuden, deren Errichtungszeitpunkt im Rahmen einer 20- jährigen Gesamtentwicklung nicht gesichert werden kann, löst zudem eine Vielzahl eigentumsrechtlicher und haftungstechnischer Probleme aus.”

Unsere Auffassung haben wir bereits in der letzten Stellungnahme zur Radbrücke angepasst. Gerade deshalb wollen wir erreichen, dass die Flächen im Bebauungsplan anders aufgeteilt werden.

Bisherige Abwägungen zu alternativen Führungen

In der Antwort der Verwaltung heißt es: “Im Zuge der Erarbeitung des Masterplans waren unterschiedliche Trassenführungen geprüft worden. Im Ergebnis wurde die Brücke in den Masterplan übernommen, die hinsichtlich der Topografie, Wirtschaftlichkeit, Inanspruchnahme von Flächen bzw. Baufeldern die günstigsten Voraussetzungen bietet.”

Diese Betrachtungen wurden bisher nicht der Politik vorgelegt. Nach welchen Kriterien entschieden und wie diese gewichtet wurden, ist nicht bekannt; somit fehlt der Politik hier die Entscheidungsgrundlage.

Chancen im Radverkehr für den Campus West

Wir möchten noch einmal betonen, dass hier die Erschließung eines (neuen) Campus geplant wird. Gerade hier ist die Bereitschaft höher, mit Rad oder ÖPNV anzureisen. Zudem sehen wir in der studierendengerechten Auslegung der Mobilität eine Chance, den Campus West zu einem lebendigen Campus zu entwickeln. Insbesondere die Nutzung der Erdgeschoss-Flächen könnte durch konsequente Förderung des Fuß- und Radverkehrs positiv beeinflusst werden - diverse Studien (wie diese) belegen, dass eine Förderung des Radverkehr die Kundenfrequenz im Einzelhandel erhöhen kann.

Unser Anliegen

Für uns steht außer Frage, dass der Campus West eine attraktive Fuß- und Radwegebrücke braucht. Bisher ist diese aber nur als Option vorgesehen; es liegt kein Beschluss vor, dass diese Brücke gebaut werden soll. Die derzeitige Flächenaufteilung gefährdet die Realisierung der Brücke, da die bisher vorgesehenen Flächen nur eine relativ unattraktive Brücke für hohe Kosten erlaubt. Eine ausreichende Untersuchung möglicher Varianten wurde bisher nicht öffentlich vorgelegt.

Wir fordern, dass die Verwaltung mit dem Beschluss des Bebauungsplans gleichzeitig dazu beauftragt wird, unsere und weitere Trassenführungen unter Berücksichtigung der Querverbindungsfunktion und Entstehung neuer, attraktiver Wegebeziehungen für den Fuß- und Radverkehr zu untersuchen, dabei für die Radbrücke eine Vorplanung zu erstellen und der Politik eine qualifizierte Entscheidungsgrundlage vorlegen. Diese Untersuchung soll explizit auch die Neuaufteilung der Grundstücke in Betracht ziehen. Um eine attraktive Fuß- und Radbrücke zu ermöglichen, soll eine spätere Anpassung des Bebauungsplans erfolgen.

Diese Stellungnahme ist eine Zusammenarbeit von U.U.M., VCD und ADFC.

Weitere Informationen

Campus West

Der Campus West ist Aachens größtes Bauprojekt. Daher ist es wichtig, dass hier die Weichen für die Zukunft gestellt werden - auch in Sachen Mobilität. Zusammen mit dem VCD Aachen-Düren und dem ADFC Aachen haben wir Ideen entwickelt und tragen diese an die Beteiligten des Projekts heran.

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