Uni.Urban.Mobil.

Stellplatzsatzung grundsätzlich neu denken

Neuigkeit Stellungnahme 17.07.2023

Die Stellplatzsatzung der Stadt Aachen führt zu immensen Überkapazitäten bei der Herstellung von Kfz-Stellplätzen. Dies gilt insbesondere im Bereich der RWTH, wie aktuelle Zahlen zeigen, die Uni.Urban.Mobil. vorliegen.

Die RWTH hat jeweils eine Zählung im Frühjahr und im Herbst 2022 durchgeführt. So waren beispielsweise im Parkhaus Professor-Pirlet-Straße (PPS) an einem Tag maximal ca. 190 (18%, Frühjahr) beziehungsweise ca. 230 (22%, Herbst) von 1053, im Parkhaus Melaten Süd ca. 235 (30%, Frühjahr) von 784 oder der Parkplatz Forckenbeckstraße ca. 50 (13%, Frühjahr) von 380 Stellplätzen belegt. In keinem Campus-Bereich (Melaten, Hörn, Mitte) waren die Stellplätze zusammen genommen um mehr als 50% belegt, in der Regel jedoch deutlich weniger. Lediglich der dem weitestgehend ungenutzten Parkhaus PPS nahegelegene Talbot-Parkplatz war im Herbst zu 95% ausgelastet (insgesamt 264 Stellplätze).

Auslastung im Herbst 2022

Die Herstellung von ungenutzten Parkplätzen ist nicht nur eine Verschwendung von Steuergeldern, sondern verursacht auch hohe CO2-Emissionen und nimmt wertvolle Flächen in Anspruch. Weiterhin stellt die Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW in einer Stellungnahme [1] fest: „Im Hinblick auf den gesetzlichen Auftrag der Studierendenwerke, preisgünstigen Wohnraum für Studierende zu schaffen, wird die Schaffung von KFZ-Stellplätzen in städtischen Lagen, insbesondere in den großen Hochschulstädten wie Köln, Münster oder Aachen, zu großen Kostenfaktoren.“ Das Studierendenwerk Aachen teilt auf unsere Anfrage mit: „Bei staatlich geförderten Neubauten von Wohnheimen werden nur Mittel pro Wohnplatz und nicht für bspw. Tiefgaragen-Parkplätze zur Verfügung gestellt. Aus unserer Sicht ist es nicht vertretbar, durch den im wesentlichen nicht seitens der Mieter*innen nachgefragten Bau von Stellplätzen die Baukosten (und somit die Miete) zu erhöhen.“ Weiterhin liegt die Auslastung der bewirtschafteten Parkflächen des Studierendenwerkes bei unter einem Viertel.

Es ist weiterhin davon auszugehen, dass auch außerhalb der Hochschule weitere Unternehmen und Wohnungsbauprojekte betroffen sind. Hierfür liegen uns allerdings keine Daten vor.

Wie kann das Problem gelöst werden?

Es ist aus wirtschaftlicher, ökologischer sowie verkehrspolitischer Sicht notwendig, dass die oben dargestellten Überkapazitäten nicht weiter wachsen. Hierzu reicht es allerdings nicht, lediglich die Stellplatzzahlen für KFZ in der Stellplatzsatzung herunter zu setzen. Denn aus rechtlicher Sicht gibt es hier eine große Hürde: Die bereits hergestellten Stellplätze sind in der Regel bereits als Baulast in Baugenehmigungen für bestehende Gebäude eingetragen. Eine Einbeziehung von bereits vorhandenen Stellplätzen in die Stellplatzsatzung ist unserer Kenntnis nach daher nicht möglich. Eine Neuzuordnung der Stellplätze wäre daher mit immensen Herausforderungen auf Landes- oder Bundesebene verbunden. Weiterhin hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Vorgabe von Stellplatzzahlen durch die öffentliche Hand wie oben dargelegt nicht funktioniert. Auch eine Härtefallregelung, wie sie in der Stellplatzsatzung bereits enthalten ist, ist durch den hohen bürokratischen Aufwand nicht praxistauglich.

Weiterhin weisen wir darauf hin, dass das Konstrukt der Baulasten sehr unflexibel ist – so ist etwa nicht möglich, verschiedene Nutzungen eines Stellplatzes je nach Tageszeit vorzusehen.

Uni.Urban.Mobil. fordert daher, die Mindestzahlen für Kfz-Stellplätze aus der Stellplatzsatzung zu streichen. Dies hätte nicht zur Folge, dass keine Kfz-Stellplätze mehr hergestellt werden, sondern eine im Einzelfall sinnvolle Zahl an Stellplätzen hergestellt wird. Die Stadt Hamburg hat dies bereits für Wohnungsbauprojekte getan [3].

Hierzu ist zu klären, ob eine Festsatzung der Mindest-Stellplatzzahlen auf Null in NRW rechtlich möglich ist. Falls dies nicht der Fall ist, sollte sie auf ein symbolisches Minimum reduziert werden. Zudem sollten die Reduktionsfaktoren praxistauglich angepasst werden (siehe Stellungnahme von U.U.M. [4]): Die Voraussetzungen für den ÖPNV-Abminderungsfaktor beispielsweise sind in Aachen formal nicht erfüllbar, da dieser einen Takt einer Linie auch Montag-Samstag voraussetzt – in Aachen ergänzen sich allerdings in der Regel zwei Linien zu einem Bündel, die jeweils samstags nur im 30-Minuten-Takt verkehren.

Wie kann das Stellplatzangebot sonst reguliert werden?

Um verkehrspolitischen Zielen Rechnung zu tragen, kann die Kommune weiterhin auf die Zahl der Stellplätze Einfluss nehmen. Um sicherzustellen, dass ausreichend Parkplätze auf privatem Grund entstehen, muss der öffentliche Parkraum hinreichend bewirtschaftet und ggf. reduziert werden. So werden Anreize bei Bauvorhaben gesetzt, sich mit den erzeugten Mobilitätsbedarfen auseinander zu setzen.

Insbesondere die Bauleitplanung bietet die Möglichkeit, die Stellplatzzahl über städtebauliche Verträge zu regeln. Hierzu sagt der Leitfaden zu kommunalen Stellplatzsatzungen [2] des Zukunftsnetzes Mobilität NRW: „Eine Beschränkung des Stellplatzbaus kann daher allenfalls in einem Bebauungsplan im Rahmen der Möglichkeiten der Baunutzungsverordnung (BauNVO § 12 Absatz 6) erfolgen.“

Tatsächlich wurden für die RWTH die Zahl der Stellplätze über städtebauliche Verträge geregelt, bevor diese durch die Stellplatzsatzung abgelöst wurden. Eine solche Regelung ermöglicht darüber hinaus, ein Mobilitätskonzept für ein gesamtes Areal aufzustellen, anstatt – wie bei der Stellplatzsatzung – Stellplätze für jedes Gebäude getrennt zu betrachten.

Was muss noch geschehen?

Es müssen Anreize gesetzt werden, um die stadt- und umweltverträglichen Verkehrsmittel (Fahrräder, Lastenräder, Bikesharing, ÖPNV, Carsharing) weiter zu fördern, um den KFZ-Verkehr und somit die notwendige Zahl der KFZ-Stellplätze zu reduzieren. Darüber hinaus sollten die Mindestzahlen für Fahrradstellplätze in der Stellplatzsatzung – insbesondere für Studierende – weiter angehoben werden. Auch sollte die Abmilderung von Kfz-Stellplätzen (falls noch nötig) durch hochwertige Fahrradabstellanlagen durch einen entsprechenden Schlüssel attraktiv sein.

Wenn ein Gebäude umgebaut oder umgenutzt wird, sollten bei Möglichkeit die Baulasten reduziert werden, um zu ermöglichen, dass vorhandene Überkapazitäten an Kfz-Stellplätzen schrittweise umgenutzt oder zurückgebaut werden. Damit dies auch geschieht, sollte die Stadt hier aktiv unterstützen.

 

[1] https://www.studierendenwerke-nrw.de/wp-content/uploads/2021/06/210624-stw-nrw-stn-landesbauordnung-nrw.pdf

[2] https://www.zukunftsnetz-mobilitaet.nrw.de/media/2023/2/7/9dbb59f051aeb86cb27d01ff47d6ab7e/znm-nrw-leitfaden-stellplatzsatzung-2023.pdf

[3] https://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4128858/2013-10-29-bsu-wohnungsbau/

[4] https://uum-ac.de/files/projects/mobilitaetskonzept/2021-06-22-stellungnahme-stellplatzsatzung.pdf

Weitere Informationen

Stoppt den Bau sinnloser Parkplätze!

Wir fordern die Politik auf, die realitätsfernen Regelungen der Stellplatzsatzung abzuschaffen.

Zur Petition auf openPetition →

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